Der Beitrag setzt sich aus einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive mit dem westlichen Konzept Mutterschaft im Kontext Kinder- und Jugendhilfe und damit verknüpften feministischen Standpunkten auseinander. Referierend auf europäisch-christliche Vorstellungen von Weiblichkeit, Fürsorglichkeit und mütterlicher Liebe wurden Frauen seit der Moderne auf der Basis ihrer vermeintlich naturgemäßen Eigenschaften im Familienkontext und der Kinderfürsorge fest verortet. Aufbauend auf diese wirkmächtige Naturalisierung hat sich Mutterschaft als Aufgabe der Frau im 20. Jh. zur Referenz für professionelles Handeln in der Kinder- und Jugendhilfe entwickelt. Gleichzeitig ermöglichte die Institutionalisierung des Konzepts Mutterschaft Frauenerwerbstätigkeit innerhalb der sich formierenden Berufe der Wohlfahrtspflege. Mutterschaft kann demnach nicht nur als Verwandtschaftsbeziehung, sondern als kulturelles Motiv verstanden werden, das spezifische Rollenmuster und Kompetenzzuweisungen umfasst. Die Naturalisierung weiblicher Fürsorgetätigkeit muss aus feministischer Perspektive kritisch betrachtet werden, da sie die Basis für den hohen Anteil weiblicher Arbeitskräfte in Fürsorgeberufen, vor allem der Kinder- und Jugendhilfe, darstellt und mit vergleichsweise geringer Qualifikation, Aufstiegschancen, Entlohnung und Prestige verknüpft ist. Über die Analyse von Modellen verberuflichter Mutterschaft wie der Tages-, Pflege- oder Kinderdorf-Mutter wird dies besonders deutlich.